Gesenkte Köpfe so weit das Auge reicht. Doch nicht etwa, weil die Fahrgäste müde und erschöpft von ihrer Arbeit sind. Nein, wie hypnotisiert schauen sie auf ihr Smartphone, checken ihre E-Mails oder verfolgen die neuesten Wechselgerüchte um Fußballsuperstar Christiano Ronaldo über ihre Sport-App. Ein Leben ohne Internet? Undenkbar! Das World Wide Web brauchte nicht einmal ein halbes Jahrhundert, um sich in unserer Gesellschaft zu verwurzeln. Dabei war es ursprünglich für eine ganz andere Sache geplant.
Zu Hause angekommen, werden die Charts auf Spotify gedownloadet, auf Facebook der Status der aktuellen Gemütslage angepasst und über WhatsApp die Abendplanung im Gruppenchat geregelt. Was man dazu braucht? Nicht viel, in der Regel ein Endgerät und – das Internet. Ein Leben ohne das World Wide Web können wir uns heute nur schwer vorstellen. Das Internet ist fester Bestandteil unseres Alltags geworden – ob bei der Arbeit oder in der Freizeit.
Die Idee des Internets war jedoch eine ganz andere: Nachdem die Sowjetunion mit ihrem Projekt „Sputnik“ den Amerikanern im Kampf um die Vormachtstellung in der Raumfahrt davonzueilen drohten, gründeten die USA im Jahre 1958 die Advanced Research Projects Agency, kurz ARPA. Ihre Aufgabe war es, das Land in der Raumfahrtindustrie wieder auf Platz Eins zu katapultieren – im wahrsten Sinne des Wortes. Durch die Gründung der NASA verlor die ARPA jedoch in diesem Gebiet an Bedeutung und konzentrierte sich fortan auf die militärische Grundlagenforschung. Das Internet war zudem die Antwort auf eine ganz spezielle Problematik des kalten Krieges. Ein zu dieser Zeit durchaus realistischer Atomschlag hätte die US-Regierung vor ein kommunikatives Desaster gestellt. Es bedurfte also eines Befehls- und Kontrollnetzwerks, das einzelne Knotenpunkte und Militärbasen miteinander verband. Das Problem mit der bereits vorhandenen Technik war, dass Kabel und Schaltstellen gegen einen Nuklearangriff nicht gewappnet waren. Ein Netzwerk ohne zentrale Steuerung musste her: Die Idee des Internets war geboren.
Das Prinzip beim Datentransfer funktionierte dabei wie folgt: Eine zu vermittelnde Nachricht wurde in mehrere Pakete zerlegt. Diese Pakete wurden von der einen zur anderen Schaltzentrale weitergeleitet. Jede Schaltzentrale wusste durch die Adresse, die auf dem Paket angebracht war, wohin die Nachricht weitergeleitet werden musste. Da jedes Paket auch mit einer Nummer versehen war, wusste der Empfänger, in welcher Reihenfolge er die einzelnen Einsendungen zu lesen hatte.
Soweit zur Theorie: Bereits Mitte der sechziger Jahre kontrollierte und finanzierte die Organisation Großrechner amerikanischer Universitäten. Diese agierten jedoch noch völlig unabhängig voneinander. Ziel war es, die Rechner miteinander zu verbinden. Im Jahre 1969 gelang es der von der ARPA beauftragten Firma BBN vier Rechner in Kalifornien und Utah miteinander zu verknüpfen – das erste digitale Netzwerk war geschaffen. Das sogenannte ARPAnet kommunizierte mithilfe des Telnet-Protokolls. So konnte ein Rechner einen anderen Rechner fernsteuern. Konkurrenzlos war das erste Netzwerk nicht. Rund um den Globus etablierten sich weitere unabhängige Netzwerke. Diese ließen sich jedoch zunächst noch nicht miteinander verbinden. Doch der große Durchbruch des ARPAnet blieb aus. Und das hatte einen einfachen Grund: Der Vietnamkrieg zog alle Aufmerksamkeit und finanziellen Ansprüche auf sich. Da war wenig Geld vorhanden für einen Netzzugang, der jährlich 100.000 US Dollar verschlang.
Zu Beginn der Siebziger waren rund zwei Dutzend Rechner miteinander verknüpft, ehe Raymond Tomlinson im Jahre 1972 der nächste große Coup gelang: Die Erfindung der E-Mail. Mit den elektronischen Briefen und der Einführung des „@“ legte er den Grundstein für eine Revolution, die schnell nicht nur die Arbeits-, sondern alle Lebenswelten des modernen Menschen durchringen sollte. Zwei Jahre darauf gelang es den Mathematikern Robert Kahn und Vinton Cerf das Transmission Control Protocol, kurz TCP, zu entwickeln. Mit der Übersetzungssprache war es nun möglich, isolierte Netzwerke miteinander kommunikativ zu verknüpfen. Da nun immer mehr Netzwerke miteinander kommunizieren können, entstehen in den Folgejahren unzählige Diskussionsgruppen im Internet.
Während um das Jahr 1980 weitere Netze wie TRANSPAC oder PSS entstehen, weitet sich das Internet rasant aus: 500.000 User sind 1981 über 188 Rechner miteinander verknüpft. ARPA selbst sieht sich gezwungen, ihr Netzwerk zu differenzieren. Mit dem MILnet setzt es ein Netzwerk in Kraft, das sich ausschließlich mit dem militärischen Datenverkehr auseinandersetzt. Mitte der Achtziger gehen immer mehr Rechner ans Netz. Um eine genauere Adressierung zu gewährleisten, legen Regierungen und Firmen die sogenannten TLD fest. So erhält Deutschland beispielsweise die Domain „.de“ und Unternehmen „.com“. „XLink“ wird einer der ersten deutschen Internet-Provider – mit Sitz in Karlsruhe.
1989 folgte die Geburtsstunde des World Wide Webs: Timothy Berners-Lee, ein Mitarbeiter am Kernforschungszentrum in Genf, entwickelt ein Programm, mit dem Daten in anderen Rechnern gefunden werden können und nennt es WWW. Nur zwei Jahre später stellt er seine Hypertext Markup Language, auch HTML genannt, vor, welche von der Netzgemeinde umgehend übernommen wird. 1992 wird erstmals die Schallmauer von 1 Million registrierter Rechner im Netz durchbrochen.
Im selben Jahr, genauer gesagt am 23. November, wird das Internet frei und löst sich von der bisherigen Finanzierung durch amerikanische Steuergelder. Die Entwicklung geht rasch voran: Nicht nur Text, sondern auch Audio- und Videosendungen können nun eingestellt und gehört bzw. angeschaut werden. Während die Firma SUN die Programmiersprache Java entwickelt und das Internet mittlerweile rund zwei Millionen User zählt, sind es vier Jahre später schon über 16 Millionen angemeldete Nutzer.
Immer wieder bringt das Internet aber auch seine Schattenseiten zum Vorschein. Neben einer immer weiteren Öffnung erlebt das Internet in manchen Ländern auch Einschnitte – so werden beispielsweise in Singapur politische und religiöse Provider staatlich registriert. Der Computervirus Melissa richtete im Jahr 1999 auf zahlreichen Rechnern großen Schaden an – der „Wurm“ fraß sich durch das Mailprogramm Outlook in die PCs. Auch Terroristen machen sich das Internet zu Nutze. Im Zusammenhang mit dem Krieg in Afghanistan gerät der Begriff „Cyber War“ in den Mittelpunkt. Die Angst ging um, diese Radikalen könnten ganze Datennetze hacken und lahmlegen – die Sorge bleibt zunächst unbegründet.
Martin Ehrenfeuchter studiert Medien- und Kommunikationswissenschaften am Karlsruher Institut für Technologie. Nach Praktika bei den Badischen Neuesten Nachrichten und bei Mercedes-Benz arbeitet er als Online-Redakteur für den TrafficGenerator Blog. Immer am Puls der Zeit hat er die Branchen-News im Blick und berichtet über Aktuelles aus der spannenden PR- und Social-Media-Welt.