Besser man bereitet sich in Zeiten, in denen es keine Krisen gibt, schon mal auf Schlechtwetter vor. Das gilt vor allem für den Fall, dass es zu einer Empörungswelle in digitalen Netzwerken kommt, die man gerne Shitstorm nennt. Am besten ist es natürlich, alles zu tun, damit der Sturm erst gar nicht zu toben beginnt.
Shitstorms gehören schon fast ganz selbstverständlich zu unserem kommunikativen Alltag. Früher oder später kann er also jeden treffen. Und meist bricht er urplötzlich über ein Unternehmen herein. Doch zunächst möchte ich Entwarnung geben. Nicht jede böse Kundenbemerkung, die auf Social Media Plattformen eingestellt wird, führt zu einem Shitstorm. Nicht jeder Shitstorm hat herbe Reputationsschäden zur Folge und massive Umsatzeinbrüche gibt es nur in den wenigsten Fällen. Entscheidend ist allerdings, dass man sich von Anfang an richtig verhält. Und das haben die Unternehmen, deren Fehlverhalten groß durchs Web und dann durch die Presse schwappte, in den wenigsten Fällen getan. Vielmehr haben sie nach alter Manier die Wahrheit verdreht, Informationen verschleppt oder nur scheibchenweise herausgerückt, sie waren bis oben hin zugeknöpft, sie haben geschwiegen oder gedroht. Summa summarum: Sie haben einfach nicht verstanden, wie das Social Web funktioniert.
Das Social Web ist wie eine gigantische, öffentliche Podiumsdiskussion. Vernebeln, vertuschen und Marketing-Lügen sind in diesem Szenario ein Auslaufmodell. Früher oder später kommt jede Untat heraus. Denn irgendeiner schaut immer durchs Schlüsselloch. Was er dort sieht, erzählt er dem Web. Und die ganze Welt liest mit. Dramatischer noch: Die Menschen vergessen zwar schnell, doch das Web vergisst nie. Was einmal dort steht, ist kaum mehr zu löschen. Selbst Einzelmeinungen können dabei ein großes Gewicht bekommen, wenn sie von Tausenden aufgenommen werden. Online-Netzwerke verstärken immer, was in sie eingespeist wird. Und sie intensivieren die Persönlichkeit eines Unternehmens – im Guten wie im Bösen. So wird es in Zukunft darum gehen, wie Ex-Google Chef Eric Schmidt einmal sagte, die „Dinge, die nicht entdeckt werden sollen, erst gar nicht zu tun.“ Dann braucht man sich auch keine Sorgen zu machen.
Wer schlechte Leistungen erbringt, verheimlicht, verschleiert, bei Leistungsfeatures lügt oder bei der Preisgestaltung betrügt und so den Kunden über den Tisch ziehen will, bekommt heutzutage blitzschnell ein Problem. Gebloggter, getwitterter oder den Meinungsportalen anvertrauter Unmut erreicht oft innerhalb kürzester Zeit die breite Öffentlichkeit – und wird von den sensationshungrigen Medien dankbar recycelt.Und wie im wahren Leben auch hat das, was die Menschen über ein Unternehmen sagen, bei Suchmaschinen Vorrang vor dem, was die Unternehmen selbst über sich sagen. So schafft es wie auch immer geartetes Gerede oft ganz weit nach vorn auf die Trefferlisten. Damit das nicht im Negativen eskaliert, fünf Tipps an dieser Stelle:
Ein Shitstorm entwickelt sich oft innerhalb weniger Stunden. Deshalb heißt es, für den Fall der Fälle gut vorbereitet zu sein. Eine onlinebasierte Reputationskatastrophe erfordert eine schnelle und gleichzeitig besonnene Reaktion. Denn im Leerraum fehlender Informationen entstehen die wildesten Aussagen, Hypothesen, Gerüchte. Auf Blogs, Twitter, Facebook & Co. werden diese oft einseitig, unsachlich, polemisch, manchmal sogar hasserfüllt vorgetragen – und virusartig weiterverbreitet. Deshalb sollte jedes Unternehmen eine Risikoinventur durchführen, sich also fragen, auf welchen Gebieten es angreifbar ist und ein Wenn-Dann-Flussdiagramm für alle denkbaren Szenarien in der Schublade haben. Wer in punkto Krisenbewältigung keine geübte Kommunikationsabteilung hat, braucht einen externen Berater und juristischen Beistand in Rufbereitschaft. Diese Personen sollten Ihr Unternehmen im Voraus schon kennen, denn zur Einarbeitung bleibt oft keine Zeit. Wer bereits gut eingeführte Twitter- und Facebook-Präsenzen hat, kann auch auf diesen Kanälen gegenfunken. Treue Fans und Follower werden sich, wenn sie in guten Zeiten gehegt und gepflegt worden sind, nun auf Ihre Seite schlagen und – hoffentlich – lautstark in die Bresche springen. Wenn Sie gute Kontakte zur Presse aufgebaut haben, zahlen sich diese nun aus, da dann auch Ihre Meinung gehört wird.
Machen Sie es sich zum täglichen Ritual, Gespräche im Web über Ihre Produkte und Services genauso sorgfältig zu studieren wie Ihre Geschäftspost und die Umsatzzahlen. Dazu sind folgende Fragen besonders wichtig: Welches sind die relevanten Meinungsplattformen und Bewertungsportale in unserer Branche? Was wird dort bereits über uns erzählt? Wer sind die Meinungsführer und Multiplikatoren, die sich für uns und die Branche stark interessieren? Sind sie uns wohlgesonnen oder berichten sie kritisch?
Dank Google-Blogsuche, Facebook Search & Co. lassen sich Erwähnungen im Web ganz schnell ausfindig machen. Über Google Alerts, Bing Alerts, TweetBeep und andere Dienste erhält man Online-Gerede auf Wunsch täglich zugespielt. Das ist übrigens kostenlos. Besser noch: Automatisieren Sie das Zuhören. Verwenden Sie Tools wie addictomatic.com zum Beobachten des Social Web. So haben Sie mit dem geringstmöglichen Zeitaufwand eine größtmögliche Anzahl von Webseiten im Blick.
Begegnen Sie den Kommentaren der erzürnten User im Dialog – und nicht per Konfrontation. Das bedeutet zunächst, keine negativen Statements zu löschen – es sei denn, sie enthalten Verleumdungen oder Rechtsverstöße. Jedoch: Sogar begründete Löschungsanträge sind nur bedingt erfolgversprechend, weil ihnen der Portalbetreiber nicht folgt, oder weil es sowieso zu spät ist. Denn selbst wenn man etwa per Rechtsbeschluss bei YouTube ein Video beseitigen oder auf einem Meinungsportal einen Kommentar entfernen lässt, hat sich beides meist schon weiterverbreitet.
Je zügiger Sie auf Vorwürfe reagieren, desto eher können Sie den Shitstorm eindämmen. Halten Sie ggf. in den ersten Tagen genügend Manpower bereit, auch am Abend und am Wochenende. Melden Sie sich umgehend bei denen, die Beschwerden hatten – und schaffen Sie deren Ärger baldmöglichst aus der Welt! Können Sie die Person nicht ausfindig machen, dann schreiben Sie da, wo dies möglich ist, einen individualisierten und sensibel auf das Problem eingehenden Kommentar. Aber Achtung! Textbausteine und 08/15-Antworten werden sofort als solche enttarnt.
Folgen Sie, solange es sich (noch) nicht um eine groß angelegte Kampagne handelt, den Regeln einer professionellen Reklamationsbearbeitung. Die wichtigsten Stichworte dazu: Kritik ernst nehmen, danken, Verständnis zeigen, sich entschuldigen, Vorfall analysieren, umfassend informieren, ehrlich sein, sachlich und höflich bleiben, wohlwollend und effizient reagieren, Entgegenkommen zeigen, nach Abschluss des Vorfalls noch einmal nachfassen, Lehren ziehen und aus Fehlern lernen.
Geben Sie Fehler zu – aber nur Fehler. Falls Sie anderer Meinung als Ihre Angreifer sind, sagen Sie das auch. Belegen Sie Ihren Aussagen nur mit solchen Zahlen und Fakten, die definitiv wahr sind. Vor allem aber: Reagieren Sie mit Bedacht! Das heißt: Keine Eskalation, keine wilden Drohungen und besser kein Rechtsanwalt! Und ja keine breit angelegten Online-Dementis! Je mehr Text zu einer Sache im Netz steht, umso interessanter ist das für Suchmaschinen – und desto weiter vorne bei den Treffern findet sich dann das Problem. Wird auf Kritik schnell und konstruktiv reagiert, nehmen die Verärgerten zum Beispiel negative Online-Bewertungen oft wieder zurück. Am besten wirkt – na was wohl – eine Entschuldigung. Nach einer Untersuchung von Wirtschaftswissenschaftlern der Universitäten Bonn und Nottingham hoben 45 Prozent der verstimmten Kunden ihre Kritik nach einer persönlichen Entschuldigung wieder auf. Gutscheine veranlassten sie jedoch nicht zum Meinungswandel.
Weitere Infos zum Thema auf www.touchpoint-management.de.
Anne M. Schüller ist Keynote-Speaker, mehrfache Bestsellerautorin und Businesscoach. Die Diplom-Betriebswirtin gilt als Wegbereiterin des Touchpoint Management und als führende Expertin für Loyalitätsmarketing in Europa. Sie zählt zu den gefragtesten Referenten im deutschsprachigen Raum. Ihr aktuelles Buch „Das Touchpoint-Unternehmen“ wurde zum Managementbuch des Jahres 2014 gekürt. Auf dem TrafficGenerator Blog teilt sie wertvolle Tipps & praktische Checklisten – damit Sie direkt loslegen können.